das erste offizielle review von "nuclear blast":
RAMMSTEIN
Rosenrot VÖ: 28.10.
Die »Reise Reise« geht weiter: Der Nachfolger »Rosenrot« ist aus dem gleichen Holz geschnitzt.
RAMMSTEIN lassen uns nicht lange warten: Ein gutes Jahr nach »Reise Reise« kommt schon ein neues Album! Es wird »Rosenrot« heißen und stellt die Fortsetzung des Vorgängers dar. Der Grund: Auf »Rosenrot« gibt es etliche Songs aus den »Reise Reise«-Sessions, die damals keine Verwendung fanden oder schlicht noch nicht fertig waren. Die Verwandtschaft kann man hören: Wer auf »Reise Reise« steht, wird auch »Rosenrot« mögen, denn die Neue klingt auf die gleiche Weise organischer, rockiger als die die Frühwerke - für RAMMSTEIN-Verhältnisse zumindest: Die Band behält natürlich ihren Charakter und überzeugt wie immer mit Macht und Wucht. Allerdings bieten sie gesteigerte Dynamik, also Laut/Leise-Abwechslung, und vor allem erneut mehr als Marschrhythmik. »Rosenrot« enthält harte Metal-Songs, einen typischen Stampfer im bekannten Stil, viele melodramatische, mächtige Epen, eine Ballade – und sogar ein lustiges (!) Stück mit Tex-Mex-Einlage. Dabei klingt die Scheibe einen Tick härter und knackiger als der Vorgänger. Die Texte fallen gewohnt abgefahren und clever aus. Die Verse von Till Lindemann stecken voller Spielereien und können auch zärtlich klingen. Meist jedoch dominiert das Dunkle, das Böse, das Kranke.
Die Songs im Einzelnen:
'Benzin':
Die erste Single. Ein fetter, treibender Song, voll RAMMSTEIN, aber eher rockig. Nachdem im Zaum gehaltene Gitarren eine flotte Strophe begleiten, bricht im Refrain die beliebte Sound-Wand los. Das Brett! Dazu kommen schräge Fanfaren aus den Keyboards. Ein Ohrwurm. Aus dem Text: "Ich brauche Zeit, kein Heroin/ kein Alkohol, kein Nikotin…"
'Mann gegen Mann':
Lindemann singt sehr melodisch über einen simplen Bass-Lauf, bevor ein toller, grooviger Riff im XL-Sound alles plattwalzt. Dazu gibt's ein Keyboard, das entfernt (und wohl unabsichtlich) nach der Windows-Startmelodie klingt. Abgefahren. Auch hier agiert das Schlagzeug rockiger und vielfältiger als früher, selbst wenn jeder den Song sofort als RAMMSTEIN-Nummer identifizieren kann. Das Beste: Weil der Song sich mit den Gedanken eines Homosexuellen beschäftigt, wird der Chorus von einem Männerchor gesungen. Textauszug: "Mann gegen Mann/ Meine Haut gehört den Herren/ Mann gegen Mann/ Gleich und gleich gesellt sich gern". Sehr gelungen.
'Rosenrot':
Der Refrain ist ein Ohrwurm: "Tiefe Brunnen muss man graben/ wenn man klares Wasser will/ Rosenrot, oh Rosenrot/ Tiefe Wasser sind nicht still". Der Song dazu: Kräftig, eingängig, mit dicken Gitarren und fast poppigen Melodien, die Lindemann wieder sehr melodisch singt. Wird sicher eine Single.
'Spring':
Geschichte über einen (vermeintlichen?) Selbstmörder und eine Menschenansammlung, die ihn fallen sehen will. Mit gespenstischen Keyboards und bösem Lindemann-Sprechgesang. Auch hier bieten RAMMSTEIN viel Dynamik: anfangs leise, damit der wuchtige Stampfe-Riff nachher umso mehr zuschlägt. Ein typischer RAMMSTEIN-Song, getragen und machtvoll. Sogar mit Minimal-Gitarrensolo.
'Wo bist du':
Ein verlangendes Liebeslied, episch, melancholisch und latent unheimlich. Hier dominieren die Keyboards, die an Achtziger-Pop erinnern. Till singt: "Ich liebe dich/ Ich liebe dich nicht/ Ich liebe dich nicht mehr/ Ich liebe dich nicht mehr oder weniger als du".
'Zerstören':
Das Stück klingt, wie es heißt. Nach dem Muezzin-Intro bricht eine Riffwalze los wie von CROWBAR, nur schneller. Lindemann singt dazu: "Ich nehme eure sieben Sachen, werde sie zunichte machen." Später steigert er sich in einen verbalen Rausch aus Destruktionswut, untermalt von entsprechend harten Gitarren. Wegen des Maschinenrhythmus hätte 'Zerstören' auch bestens auf eine der alten Platten gepasst.
'Te Quiero Puta':
Ein Song ganz in spanischer Sprache. Und der Titel bedeutet: "Ich liebe dich, Hure". Man mag es kaum glauben, aber hier darf gelacht werden, denn die Verbindung aus Brachial-Stampf-Gitarren und Mexico-Trompeten klingt - gelinde gesagt - ungewöhnlich. Der Chorus "Mas, mas, mas, por favor" ("Mehr, mehr, mehr, bitte") wirkt dann aber doch wieder spöttisch und böse.
'Feuer und Wasser':
Noch ein getragener, trauriger Song in gemäßigtem Tempo, vergleichbar mit 'Ohne dich' von »Reise Reise«. Bleibt über große Strecken ruhig und wird erst gegen Ende hart. Lindemann haucht: "Wenn sie Brust schwimmt, ist das schön/ Dann kann ich in ihr Zentrum sehen".
'Ein Lied':
Die Ballade. Ruhig über die gesamte Länge, dominiert von einer blechern klingenden Akustikgitarre und einer klagenden, Geigen-ähnlichen Keyboard-Melodie. Der Gesang geht von Sprechen in melodisches Singen über – und zollt den Fans Tribut: "Wir sind die Diener eurer Ohren/ Wir sind für die Musik geboren/ Immer wenn ihr traurig seid/ Spielen wir für euch".
Das Album »Rosenrot« wird zwei weitere Stücke enthalten.
Fazit: Eine gelungene Fortsetzung von »Reise Reise«, aus dem gleichen Holz geschnitzt.
Christof Leim